Thomas in Estland

Nach Auslandssemester und Masterarbeit in Tartu - jetzt das richtige Leben in Tallinn

Mittwoch, Januar 09, 2008

Kriminelle Woche

Diesmal berichte ich von kriminellen Handlungen. Es wird also spannend ...

Wer von euch hat nicht schon einmal Folgendes erlebt?
Man hat es eilig, warum auch immer. Vielleicht muss man sich beeilen, um noch den Zug oder Bus zu kriegen, oder noch unbedingt zum Aldi, bevor der zumacht. Vielleicht will man noch schnell in die Kneipe kommen, bevor die Happy Hour zuende ist. Oder vielleicht ist man verabredet und will nicht noch später kommen, als man ohnehin schon ist.
Und dann, meistens genau dann, passiert es, dass einen die rote Fußgängerampel zumindest moralisch daran hindert, eine völlig leere Straße zu überqueren. Ich persönlich zögere meist kurz, denke mir dann aber "Pah, was solln das? Es ist kalt, ich bin spät dran, und kein Mensch fährt hier. Ich kann doch 500m weit sehen." ... und begehe eben diese Ordnugswidrigkeit, weil ich doch weiß, dass mir nix passieren kann.

So auch vergangene Woche, morgens, leicht zu spät dran. Die estnische Polizei hat sich taktisch günstig plaziert und jeden abgefangen, der die nicht so viel befahrene Straße zum Busbahnhof in Tallinn bei rot überquert hat. Ich wurde also auch freundlich von einem Beamten hinter der Ecke begrüßt und ins Auto gebeten.


Ergebnis: Ich hab treudoof dreingeschaut, gesagt dass ich es eilig hatte und dass es mir leid tut. Das alles in gebrochenem Estnisch. Mein Glück, dass die nicht wirklich Englisch sprachen, ich bekam also nicht die üblichen Belehrungen, sondern nur eine Verwarnung. Aber immerhin: mein Verbrecherdatei ist damit eröffnet :-)

Und jetzt mal ehrlich: Wer von euch macht das nicht auch schonmal?
Wurdet ihr schonmal erwischt? Was kostet das in Deutschland? Oder hängt das von der Laune des Polizeibeamten ab? Lars ... die Frage geht an dich.


Weiteres Kriminelles: Rimi hat die "K-rimi-nell tiefe Preise" - Aktion gestartet, und wir Trainees sind grade damit beauftragt zu überprüfen, ob die Super- und Hypermärkte auch kriminell genug die Waren anbieten. Macht Spaß, und überall sind Schriftzüge mit aus Zeitungen ausgeschnittenen Buchstaben. Sieht so aus:


Weiterhin bin ich nach wie vor motiviert, Estnisch zu lernen. Da ich das allein aber nicht gebacken bekomme, lasse ich mir von Rimi einen Sprachkurs bezahlen. Ich brauche jemanden, der mir sagt: "Lern das! Bis morgen hast du die Aufgaben 4 bis 17 gemacht, sonst gibts kein Abendessen!" So nur ich allein mit Buch, das gibt nie was. Jedenfalls hatte ich vergangene Woche einen Einstufungstest, und meine Interviewerin war total hin und weg was ich ja schon alles können würde. So normales Zeug labern kann ich halt auch, aber wirklich toll und viel ist das nicht. Ich verstehe auch einigermaßen viel, aber zum wirklich unterhalten oder Zeitungen lesen langts dann doch nicht. Die Frau von der Sprachschule sah das halt anders, sie findet, dass ich schon extem gut sei und in den Advanced-Kurs gehen solle, der grade nicht angeboten wird, mangels qualifizierter Mitschüler (hach, Balsam fürs Ego ;-) ). Daher wird jetzt geprüft, ob Rimi mir auch Einzelunterricht bezahlen würde. Schön wärs ja schon, hehe :-)

Aber was ich dadurch mal wieder gesehen habe: Die Esten haben einfach andere Maßstäbe bei der Bewertung der Sprachkenntnisse ihrer eigenen Sprache bei Ausländern. Als so kleines Land ist man hier extrem froh, wenn ein Besucher überhaupt irgendwas kann. Und kann man etwas auf Estnisch sagen, so wird von den Esten auch gern die Tatsache angeführt, dass es hier Russen gibt, die seit Jahrzehnten in Estland leben aber nach wie vor kaum was auf Estnisch sagen können. Eine logische Konsequenz daraus, dass quasi jeder in Estland Russisch kann, die Russen folglich kein Estnisch lernen müssen, um im Alltag zurechtzukommen. Und ähnlich, wenn auch nicht so krass, ist es für andere Ausländer: Mit Englisch kommt man hier doch extrem leicht durch. Und daher war die Sprachlehrerin auch so angetan von meinen "Kenntnissen".
Überlege ich jetzt, wie ich in der Hinsicht über die deutsche Sprache denke, dann habe ich mich früher immer gewundert, warum der südosteuropäisch aussehende Mitbürger nicht richtig deutsch spricht. Oder der Spätaussiedler aus Russland so nen komischen Akzent hat. Können die unsere Sprache denn nicht gefälligst richtig lernen?? .... Puh, wie intolerant ich doch damals war. Von daher: Wieder ein Argument für einen längeren Auslandsaufenthalt oder zumindest eine WG mit Menschen mit Migrationshintergrund (um auch mal das Fachjargon zu benutzen).

Fazit: Ich habe mich nach dem Sprachtest extrem gut gefühlt. Wenn einem eine Lehrerin sagt, dass sie begeistert ist von den eigenen Sprachkenntnissen, und wenn man selbst immer dachte, dass man gar nix kann, dann gibt einem das schon Auftrieb. Und Motivation. Die natürlich noch enorm verstärkt wird, wenn der Arbeitgeber zahlt :-)

Noch ein kurzer Wetterbericht: Nach extremer Kälte (-10 Grad und weniger) ist es jetzt wieder angenehmer. Leider schmilzt auch der Schnee, daher sind überall Riesenpfützen und Schneematsch. Und man sollte echt nicht zu nah an einer befahrenen Straße stehen, wenn man nicht grade wie ein begossener Pudel aussehen will.

So, mit Schwung auf in die neue Woche.
Viele Grüße,
Thomas

2 Comments:

At 12:05 AM, Anonymous Anonym said...

Thomas, mein kleinkrimineller Freund... Wollte ich immer mal haben, hihi. Jetzt werd ich allen Geschichten erzählen von meinem Kumpel Thomas der da in Estland in der Straftäterkartei geführt wird - Mann, da hab ich dann echte Chancen, dass mir meine Schüler EINMAL zuhören!! Ich werd die Geschichte aber noch ein bisschen ausschmücken... SUPER! ;o)
Ich wollte eigentlich nur kurz loswerden, dass ich es sehr löblich finde, dass Du Deinen blog reaktiviert hast. Und - noch so ganz am Rande - Ella und ich haben beschlossen, dass wir Dich, wenn unsere Finanzen es zulassen (also so etwa nächstes Jahr), besuche kommen. Und NEIN, Du hast weder das Recht noch die Chance, unseren Besuch abzulehnen. *g*
Also ganz lieben Gruß aus Koblenz!
Julia

 
At 11:29 PM, Anonymous Anonym said...

K-rimi-nell gute Preise !!!
Ich werf mich weg, ich glaub so was muss ich mir auch mal für LIDL ausdenken, ich glaub da könnte ich mal glänzen. Na dann geh ich mal auf die Suche nach nem geeigneten Wortspiel was auf unseren Lieblingsdiscounter passt.

Und ansonsten alles fein in der großen weiten Welt des Einzelhandels? Ich geh mal von aus, denn ansonsten hättest du es wohl auch gebloggt. :-)

Schöne Grüße aus Stuttgart an Elle und dich.

Ach ja waren gestern in ner disse hier in unserer kleinen versnobbten Landeshauptstadt und da hab ich das mit Abstand teuerste Getränk auf ner Karte gefunden was ich bis jetzt gesehen habe: Nen Champagner für leppsche 3.200€. Und da gestern alles die Hälfte kostete waren es erstaunlich günstige 1.600€.

Also Grüße und Ohren steif halten.

 

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