Thomas in Estland

Nach Auslandssemester und Masterarbeit in Tartu - jetzt das richtige Leben in Tallinn

Dienstag, Juli 10, 2007

Sumpfrock, Besuch aus Deutschland und ein Job (wenn ich will)

Au krass, jetzt ist es echt ewig her seit ich das letzte Mal was geschrieben habe! Also hier endlich mal ein Update.

Die letzten Wochen waren extrem ereignisreich, was auch der Grund für meine faule Schreibhaltung ist. Mitte Juni war ich mit zwei Freunden aus Tartu (ein Holländer namens Jorn und ein Brite namens Chris) bei Rabarock (http://www.rabarock.ee), was frei übersetzt soviel heißt wie "Rock im Sumpf". Es war ein eher kleines Festival mit rockigem bis metallischem Grundton mitten in der estnischen Pampa. Bei heißestem Wetter (Regen in der Sumpfregion da wär auch ganz schlecht gewesen) habe ich geniale Bands wie Clawfinger, Apoptygma Berzerk, Tanel Padar & The Sun (starke estnische Band!) und Electric Six gesehen. Hier ein paar Bilder mit Kommentaren zur estnischen Festivalkultur:

Clawfinger live! - When I grooooow up, there will be a daaaay, when everybody has to do what IIII say!!


In Estland werden schon die Jüngsten von ihren Eltern mit auf Festivals genommen, damit sie bloß auf keinen falschen Musikgeschmack kommen - Seeeehr gut!


Es gab nicht nur ekliges finnisches Bier zu trinken, sondern auch diverse Schnäpse, die von leicht bekleideten Promo-Mäuschen (hier: Jim Beam) unters rockende Volk gebracht wurden. Chris war ein leichtes Opfer.


Auch deutsches Branntgut war vertreten...


Bei all dem hirnlosen Gesaufe haben wir am Vormittag des zweiten Tages (Schlafen unmöglich) einen Ausflug ins benachbarte Rapla unternommen und dieses Kleinod von einer Kirche gesehen.


Gerade so erholt und wieder fit, erhielt ich einige Tage nach dem Festival den lang erwarteten Besuch aus Deutschland: Christian, Stefan und Lars kamen aus der Eifel, um den Osten Europas zu erkunden. Bestrebt, ihnen den Aufenthalt so interessant und kurzweilig wie möglich zu gestalten, hatte ich schon ein vollgepacktes Kulturprogramm ausgearbeitet, versehen mit vielen Dingen, die ich selbst in Estland noch nicht gemacht hatte. Muss man ja mal ausnutzen, wenn Besuch da ist. Neben diversen Restaurant-, Pub- und Clubbesuchen haben wir noch gemacht:
Wir haben Mittsommer schön estnisch bis zum Morgen durchgehalten, in einem zu diesem Zeitpunkt leerstehenden Haus einer estnischen Studentenverbindung. Das war gleichzeitig Stefans Geburtstag, musste also ordentlich gefeiert werden. Es gab viel Bier, Gegrilltes, Billard, Blinde-Kuh-Frisbee und auch Sauna mitten in der Nacht. Von letzterem existieren nicht-veröffentlichungsfähige Bilder von Lars und mir, die ich daher hier auslasse.

Grundsätzlich haben wir jeden Tag was unternommen, auch wenn manche Tage erst mit dem Frühstück nach 12 begannen. Dafür waren die Nächte eben länger. Denkwürdig war die Pokernacht, die bis um ca. 5 Uhr ging, wobei ich die letzte Runde gewonnen hab - Ha! Außerdem haben wir eine alternative Art des Urlaubsfotos erfunden. Diese "Alle gucken in die Kamera und lächeln"-Bilder wurden uns zu langweilig, daher nahmen wir einige Bilder verteilt stehend und möglichst desinteressiert dreinschauend auf. Ein Beispiel hier:

Ich finde es hat was.

Außerdem waren wir klettern, aber nicht langweilig an einer Wand in einer Halle, sondern in einem dichten Wald bei Otepää. Ein Outdoor-Kletterpark hat dort vor einigen Jahren seine Bäume geöffnet. Man schwingt sich ganz wie Indiana Jones über Abgründe, balanciert auf Seilbrücken herum oder rast irrwitzig eine hundert Meter lange Seilbahn runter - alles immer gesichert, aber ganz schön hoch. Ein Wahnsinnserlebnis, wie die Bilder hier schön zeigen:






<- Ele in Aktion!




Stefan in Aktion ->










Nach erfolgreichem Klettern, Rutschen und Abseilen waren wir zurecht stolz!


Weiterhin mehr als erwähnenswert war die Party an Eles Geburtstag, was gleichzeitig auch Datum der Abreise meiner Freunde war. Um nicht selbst Riesenaufwand zu betreiben für die Party, hatte Ele beschlossen, lieber auf eine Feier in einem Wohnheim der Technischen Uni in Tallinn zu gehen. Die Feier trug den Unheil verheißenden Namen "Demolition". Der Grund: Das Wohnheim sollte demnächst abgerissen werden, daher war es erlaubt und erwünscht, alles kurz und klein zu schlagen. Man konnte sogar Räume mieten, die man dann nach Lust und Laune auseinander nehmen durfte. Wir hatten sogar einen gebucht, leider ist es uns nie gelungen, zur eigentlichen Party vorzudringen. Als wir dort ankamen, hatte der Sicherheitsdienst bereits die Zugänge versperrt und ließ niemanden mehr ein, mit der Begründung, dass die Feier außer Kontrolle geraten sei. Nun, wir blieben also draußen und hatten trotzdem unseren Spaß. Was wir sahen hat unser Weltbild aus den Angeln gehoben. Glaubten wir bis dahin noch zu wissen, was eine wilde Party ist, und vor allem schon viele wilde Partys erlebt oder veranstaltet zu haben, so zeigten uns die Esten wie man richtig feiert. Das Ergebnis der Party ist auf den beiden Bildern hier zu bestaunen:

Das war gegen Ende - einfach nur krass!


Hier ein früheres Stadium - die offenen Fenster sind zerstört, nicht geöffnet ->





Die kannten gar nix - alles, aber echt ALLES, was nicht festgeschraubt war wurde aus den (geschlossenen) Fenstern geworfen: Stühle, Kühlschränke, Betten, Fernseher, Toiletten ... Wahnsinn!!! Als (Dr)Außenstehender musste man 10m Sicherheitsabstand zum Gebäude halten, wenn man nicht von rausfliegenden Einrichtungsgegenständen oder Glassplittern getrofffen werden wollte (und wer will das schon?). Also haben wir uns alles schön aus sicherer Entfernung angesehen und irgendwann das Feld wieder geräumt. Und am nächsten Morgen habe ich meine Freunde, immer noch völlig unter Schock stehend, zum Bus gebracht, nachdem sie sich wahlweise gar nichts oder ein Schnitzel zum Frühstück gegönnt hatten.
Was ne Wahnsinnszeit - Danke, dass ihr hier wart!

Seitdem schreibe ich wieder fleißig an meiner Masterarbeit - bald stehen Interviews an. Will mich auch beeilen jetzt, damit ich vor Ende September fertig bin und noch bisschen ruhig machen kann, bevor der Ernst des Lebens anfängt. Ich stehe noch vor der Entscheidung, ob ich eine Zeit in Estland bleibe, oder mir in Deutschland einen Job suche. Ich hätte hier schon ein Angebot und warte noch darauf, dass man auf meine Termin- und Gehaltswünsche eingeht. Wenn das alles klappt und ich nicht plötzlich Muffensausen oder ein enorm gutes Angebot aus Deutschland bekomme, dann könnt ihr mich alle gerne auch im nächsten Jahr noch besuchen kommen :-)

So, das wars mal wieder von der östlichen Grenze der EU. Ahja, noch die obligatorischen Bemerkungen zum Wetter: Prinzipiell super, in den letzten beiden Wochen leider sehr wechselhaft mit vereinzelten Regentagen.

Viele Grüße an alle daheim!