Thomas in Estland

Nach Auslandssemester und Masterarbeit in Tartu - jetzt das richtige Leben in Tallinn

Montag, Oktober 12, 2009

Herbst in Estland

Eine Jahreszeit ist vorbei, und es ist mal wieder Zeit den tapferen Leuten, die hier noch ab und an draufschauen, zu erzählen, was so alles passiert ist. Die üblichen Versprechungen, dies öfter zu tun, erspare ich mir - es klappt ja doch nicht :-)

Tallinn bewegt sich mit schnellem Schritt auf den Winter zu. Der Sommer und einige echt schöne Septembertage sind kaum vorbei, da muss ich schon den dicken Mantel auspacken. Das Wetter war für einige Zeit echt zum Weglaufen, Regen Regen Regen und kalt kalt kalt. Demletzt hat es schon derbst geschneit, und in Tartu schon vor ein paar Wochen - das ist hier normal.
Nun, was ist alles so passiert? Ich denke beim Blog-Schreiben immer an die vergangenen Wochen und versuche mir die Dinge in Erinnerung zu rufen, die zu berichten sich lohnt. Da kann ich natürlich nicht meine Reise in die Heimat unerwähnt lassen.
Los ging es am Abend des 26.07., gleich nachdem ich mit meinem alten Koblenzer Mitbewohner Christoph die Baltic Beach Party besucht hatte. Mensch, was war es da noch warm! Wir waren ins Meer schwimmen und haben bis morgens früh am Strand die verschiedensten Partyzelte abgeklappert, um dann morgens von den letzten verbliebenen Getränkestandbesitzern noch etwas Freibier zu bekommen und ein paar russische Vokabeln zu lernen. Alles in allem, wie immer ein Riesenerfolg.
Leider war die Heimreise am folgenden Tag weniger erfreulich, da wir doch beide arg zerstört waren. Abends hatten wir es dann schon bis nach Klaipeda in Litauen geschafft, wo die Eltern von Christophs Freundin uns ein Aufbau-Abendessen servierten. Nachdem die Mägen gefüllt und die Batterien wieder aufgeladen waren, machten wir uns zu dritt auf den langen Weg nach Deutschland. Durch die Nacht fahrend kamen wir gegen Abend in Mannheim an, wo ich Christoph und seine Freundin ablieferte, und ich legte unter extremen Müdigkeitserscheinungen die letzten Kilometer bis Ellenz zurück.
Ich habe den Urlaub hauptsächlich genutzt um zu entspannen, den Junggesellenabschied meines Freundes Kai zu feiern, die Höchstgeschwindigkeit meines Autos zu testen (in Estland darf man nur 90 fahren...) und alte Freunde wiederzusehen. Leider war meine Oma nicht so fit in dieser Zeit, aber sie hat sich inzwischen wieder aufgerappelt, was uns alle sehr erfreut.
Zurück ging es dann 10 Tage später mit meinem Vater, der Trip war ähnlich ermüdend wie der Hinweg. Aber auch etwas aufregend, da ich morgens in Litauen das Tanken verpennt hatte und die nächste Tankstelle einfach nicht kam. Und ihr glaubt ja nicht wie schnell die Kilometer verfliegen, wenn diese tolle Anzeige im Armaturenbrett piept und die Kilometer, die man noch fahren kann, runterzählt. 30, 20, 10, 5, ... und es kam immer noch keine Tankstelle! Letztlich war die Anzeige auf 0, es biepte noch mehr, aber das Auto fuhr tapfer weiter. Und nach 5 weiteren Minuten des Bangens fanden wir endlich die lang ersehnte Oase. Ich war leicht in Panik, kann ich euch sagen.

Meine Freundin Bine hat inzwischen auch geheiratet. Logischerweise führen Hochzeiten im Freundeskreis dazu, dass Fragen über die eigene Beziehung gestellt werden: "Na, wann isses denn bei euch soweit?" (meistens von einem Zwinkern der fragenden Person begleitet). Ich muss alle diese neugierigen Leute leider enttäuschen, und alle anderen beruhigen: vorerst keine "Gefahr" :-)

Leider muss ich auch diejenigen enttäuschen, die hoffen, dass ich schon bald nach Hause zurückkomme: Letzte Woche erfuhr ich von meiner erhofften Beförderung, uh yeah! Ich darf ab sofort als Supply Chain Manager von Rimi Estonia die Warenverteilung lenken, was mich vor eine Menge neuer Herausforderungen stellt. Und das, was ich glaubte, in den vergangenen zwei Jahren in meinem bisherigen Job gelernt zu haben, war offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs. Aber was solls - ich freu mich drauf!

Noch was Lustiges: Ich habe vor Monaten schon Tickets für das Konzert von Rammstein in Köln erstanden, sehr wohl verstehend, dass ich dafür einen Heimflug antreten muss und das ganze Unternehmen nicht gerade billig wird. Da ich aber Rammstein unbedingt sehen wollte und fürchtete, dies würde mir wenn nicht jetzt, dann nie gelingen, nahm ich das in Kauf (die bis dahin bekannte Tour war sehr begrenzt, und ich dachte: naja, eine Band, die gut und gerne Stadien füllen kann, kommt wohl kaum ins kleine Tallinn mit ner popeligen kleinen Halle). Und nun, Mitte Oktober sah ich riesengroße Rammstein-Plakate in Tallinn mit dem Konzertdatum für hier. Die haben also ihre Tour erweitert, und dazu noch sind die Tickets hier deutlich billiger. Welch Ironie - aber was solls. So habe ich einen guten Grund nochmal heimzukommen. Ich werde also vom 28. November bis zum 1.12. daheim sein. Nicht lange, aber immerhin. Und dann zu Weihnachten wieder.

Oh, und ich habe die erste längere Schifffahrt in meinem Leben gemacht! Ele und ich sind mit der Fähre nach Stockholm gefahren, um Eles Schwester und Familie zu besuchen. Die Fahrt dauert sage und schreibe 16 Stunden, und jede Minute davon wird auf jedem Quadratmeter des Schiffes Alkohol beworben, damit die Alkoholsteuer-geschädigten Schweden bloß konsumieren und kaufen soviel es nur geht. Eine wirklich sehr lustige Fahrt mit richtigem Showprogramm, mehreren Bars, einem Nachtclub, einem Mini-Casino ... alles da. Und einem Supermarkt, dessen Sortiment zu 90% aus Tax-free Alkohol besteht. Da spielen sich Szenen ab - unglaublich. Man kann dort tatsächlich einen kleinen Trolley kaufen (so einen mit dem man Getränkekisten gut herumrollen kann), der fix und fertig mit 4 Paletten Bier bestückt ist. Wodka in Familienpackungen zu 10 Flaschen ist normal, und natürlich findet eine in-store Verköstigung verschiedener Getränke statt.
Das Beste war allerdings am Morgen: Es gibt ein schiffsweites Durchsagesystem, was sicherstellt, dass jeder Fahrgast in jeder Kabine mitbekommt, dass das Schiff in einer Stunde anlegt. Man wird also mit freundlicher Stimme in drei Sprachen geweckt und gebeten, sich auf die Ankunft vorzubereiten. Und wenige Minuten später dann wurde nachgeschoben: "In unserem Supermarkt können Sie noch heute morgen die 1-Liter Flasche Viru Valge (estnischer Wodka, Anm. d. Verf.) zum Sonderpreis erstehen!" Einfach nur super ....

Um auch mal etwas Farbe in diesen Beitrag zu bringen, ein paar Bilder:

Tallinn vom Meer aus fotografiert


Das erwähnte Showprogramm, das hier soll
eine James Bond Aufführung sein


Eine schön anzusehende Gasse in der Altstadt von Stockholm.


Das ist tatsächlich die Königin. Schwer zu erkennen, aber sie ist es. Sie kam direkt vor uns auf die Straße gelaufen und verschwand im Auto. Als Paparazzi könnte ich wohl kein Geld verdienen, aber glaubt mir: sie ist es!


Herbst ist schon schön.


Keine Sorge - es sind nicht unsere :-) Hektor und Hilda, die Kinder von Eles Schwester.
(hätte trotzdem gern Eure im ersten Moment erschrockenen Gesichter gesehen)


Das ist der Park in Kadriorg/Katharinenthal in Tallinn - perfekt geeignet für Herbstspaziergänge!


Zu guter Letzt noch eine gute Nachricht: Ele und ich haben eine neue Wohnung gefunden, in die wir auch schon in den nächsten Tagen einziehen werden. Sie ist größer, neuer, schöner eingerichtet und zentraler als unsere jetzige, und dabei nicht mal viel teurer. Leider geben wir damit auch unseren schönen Garten und die nette Umgebung auf, aber es war mal Zeit für was Neues. Eine gute Gelegenheit, auszumisten und alten Kram wegzuwerfen. Und genau damit werde ich jetzt weitermachen.

Frohe vorweihnachtliche Grüße nach Hause! (mein Arbeitgeber ist eine Supermarktkette, für uns ist also schon quasi Weihnachten)

Thomas